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Über Inhalt und Form

Vermißt haben wir ihn schon, den Schriftzug "Wolfenbütteler Zeitung" über der Geschäftsstelle der nunmehr Braunschweiger Zeitung am Kornmarkt. Inzwischen sind wir aber aufgeklärt: Name und Ding stimmen wieder überein, ein neues Schild verkündet schwarz auf gelb "Braunschweiger Zeitung - Wolfenbütteler Zeitung und Anzeiger".

Zwar steht "Wolfenbütteler Zeitung" nicht mehr in der gebrochenen Schrift, die einst den Markencharakter vermittelte, doch immerhin ist der ehemalige Name der ganzen Zeitung im Untertitel wiederzufinden. So mag der Bezug zu Wolfenbüttel hergestellt und die Arbeit der hiesigen Lokalredaktion gewürdigt sein. Doch worauf fällt der Blick, wenn der Name zu Ende gelesen ist? - Auf einen weiteren erklärenden Zusatz, der fragmentarisch zu uns spricht: "in Wolfenbüttel zu Hause".

Subjekt und Prädikat des Satzes fehlen und sollen offenbar sinnvoll ergänzt werden. Wie aber mag eine solche Ergänzung zu bewerkstelligen sein? - "Die Wolfenbütteler Zeitung und der Wolfenbütteler Anzeiger sind in Wolfenbüttel zu Hause." Bei allem Lokalpatriotismus den man hegen mag, erscheint die Ortsangabe doch etwas häufig und übertrieben, schließlich ist es nicht so ungewöhnlich, dass Wolfenbütteler - seien es Zeitungen, Anzeiger oder Menschen - auch in Wolfenbüttel zu Hause sind. Deshalb heißen sie ja gerade so. Vielleicht sollte die Ergänzung doch auf andere Art sinnvoller sein? "Die Braunschweiger Zeitung ist in Wolfenbüttel zu Hause." - Doch auch in dem ich dieses niederschreibe, schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe. Kann denn ein Braunschweiger in Wolfenbüttel zu Hause sein? Wenigstens könnte er sich hier zu Hause fühlen. Doch liegt dann nicht auch der sogenannte "Lebensschwerpunkt" dort wo man "zu Hause" ist?

Nun würde allerdings kaum jemand behaupten, dass der Schwerpunkt der Braunschweiger Zeitung in Wolfenbüttel läge, da doch dafür gerade die "Wolfenbütteler Zeitung" sowie selbiger "Anzeiger" zuständig sind.

Verworrenen Dinge bedrängen den Leser auf dem Kornmarkt. Haben wir etwa versteckte Hinweise übersehen? Vielleich formale Aspekte nicht gewürdigt? - Ach ja, die Schrift! "in Wolfenbüttel zu Hause" steht doch ganz anders geschrieben. In Schreibschrift! Das heißt genaugenommen eigentlich nicht. Diese Schrift, die übrigens "Freestyle Script" heißt und inzwischen an jeder Würstchenbude und an Geschäften wie "Siggi's Bastelstube" (man beachte den Apostroph!) verwendet wird, ist ja gar keine Schreibschrift, sie scheint nur so als sei sie eine.

Hier liegt auch die sinvolle Lösung des Rätsels! - Der Inhalt der Aussage spiegelt sich vortrefflich in der Form wider! Ein Satzfragment, das nur Scheinbares zu enthüllen vermag, geschrieben in der scheinbaren Schreibschrift. - Ein Hoch auf den Grafiker und Texter dieser einmaligen Vereinigung von Inhalt und Form!

An dieser Stelle könnte ich noch die Frage nach dem "Warum" oder dem "Wozu" stellen, worauf ich verzichten möchte, da mir die Antwort wohl zu schwer fiele. Daß die Braunschweiger Zeitung in Wolfenbüttel eine zweite Heimat gefunden hat, mag man nur schwer glauben, leicht einzusehen dagegen ist, dass die Redaktion von Wolfenbütteler Zeitung und Anzeiger auch hier zu Hause ist. Das spüren wir beim täglichen Lesen und haben es eigentlich schon immer gewußt. - Auch ohne Schriftzug. Redakteure und Redakteurinnen in Wolfenbüttel werden allerdings vorerst mit ihm leben müssen. Ich bin zuversichtlich, dass sie das können und wünschen ihnen auch in Zukunft viel Erfolg bei ihrer Arbeit.


Stefan Brix
sx@brix.de

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