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Scheinargumente gegen den Willen zur Erfahrung

Wie so oft sind Sachverhalte weit schwieriger als sie scheinen, so auch die Frage nach dem "richtigen" Wahlalter, welches für die Kommunalwahlen ja auf 16 Jahre gesenkt wurde und allerlei Anlaß zu Spekulation und negativer wie positiver Kritik gibt.

Leider werden dabei allzu oft bloße Bekenntnisse abgelegt, statt Argumente genannt, so auch - und dies ist nur verständlich - von den "Betroffenen" selbst:
"Politiker halten ihre Versprechen nicht, deshalb gehe ich nicht wählen." - Muß man nicht gerade deshalb wählen gehen, damit solche Politikerinnen gewählt werden, die ihre Versprechen halten?
"Die meisten unter 18 wissen zu wenig von politischen Dingen." - Woher kann man dies denn (als unter 18jähriger!) überhaupt wissen? Wissen denn die meisten über 18 genug von politischen Dingen?
"Die zwei Schuljahre zwischen 16 und 18 helfen, sich besser in der Politik zurechtzufinden." - Nehmen wir an, dass dies stimmt. Was machen diejenigen, die in diesem Alter schon keine Schule mehr besuchen?

Diese Beispiele waren (wenigstens sinngemäß) zitiert, die Liste ließe sich um einige auch für Erwachsene gültige Scheinargumente erweitern:
"Alle Parteien sind sowieso gleich schlecht, da brauch' ich gar nicht auszusuchen." - Angesichts der unterschiedlichen Meinungen der Parteien ist es unwahrscheinlich, dass die Aussage zutrifft, aber selbst wenn sie weitestgehend zuträfe, ist doch das kleinere Übel über das man entscheiden kann, besser als ein beliebiges, das man nicht verhindert hat.

Das Alter als Kriterium zur Wahlberechtigung ist das zur Zeit objektivste Mittel der Entscheidung. Es hat den Nachteil, der individuelle Entwicklung eines Menschen nur sehr bedingt Rechnung zu tragen. Das gilt für jugendliches Ungestüm, wie für Senilität des Alters. Die Herabsetzung des Wahlalters für Kommunalwahlen ist ein Experiment, Politikbewußtsein bei Jugendlichen zu fördern.

Der Vorwurf, dass hier eine "populistische" Entscheidung getroffen worden sei, zieht nicht, da es gerade aus der Bevölkerung, die so ungern wählt, sich aber auch ebenso ungern von demjenigen, den sie nicht gewählt hat, regieren läßt, viele Stimmen der Kritik gibt. Hier zu rufen "Keine Experimente!" hat gleich zwei Nachteile: erstens ist Konservatismus keine Alternative, der (inzwischen sprichwörtlichen) Politikverdrossenheit zu begegnen. Zweitens muß man Behauptungen auch durch Erfahrung stützen. Diese Erfahrungen werden bei der nächsten Kommunalwahl in Niedersachsen gemacht. Sollten sie nachweislich wirklich mehr Schaden als Nutzen bedeuten, kann man das Wahlrecht auch erneut ändern, eine Welt wird davon nicht zusammenbrechen. Sind Versuche überschaubar und versprechen einen Nutzen, so muß man doch viel öfter von unserer Politik fordern: "Experimente bitte!"


Stefan Brix
sx@brix.de

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