aus: "Auch eine Philosophiegeschichte: In Reime gebracht von Wilhelm Weischedel", Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1975. (W. Kersting, DM 8,-)
Wer nie sein Brot mit Philosophen aß,
wer nie gedankenvoll am Ofen saß,
wer niemals schwanger von Ideen, wachte,
wer niemals in des Geistes Wehen dachte,
wer über allzu tiefes Denken lachte,
sein Leben ohne Geist zu lenken dachte -
des Wissen mag zwar durch das meiste geistern,
er wird doch nie das All im Geiste meistern.
Man spottet oft ob solchen Wundergreisen:
sie wollen aller Dinge Grund erweisen.
Doch gebe man auf den Gelehrten acht,
dass man nicht über den Geehrten lacht.
Mag ihm auch vor des Chaos Schoße grauen:
Er kann im Kosmos doch das Große schauen;
weil zu der Gottheit seine Träume ragen,
darf er im Innern ew'ge Räume tragen.
Denn was ein Denker auch im Guten leiste,
er dankt's zuletzt dem absoluten Geiste.
Doch mußt du, willst du dich zum Wahren finden,
dich vorher noch durch viel Gefahren winden;
oft droht dich dunkle Nacht des Nichts zu lähmen
und dir den letzten Strahl des Lichts zu nehmen,
und es passiert dir, dass du a) gelangst
in der geworfnen Daseinslage Angst,
und b), erweist du in der Not dich tüchtig,
so macht am Ende doch der Tod dich nichtig.
So fühlt man oftmals sich im Leeren schweben
in einem allzu geistesschweren Leben.
Man kann nicht stets im Unerreichten leben,
drum braucht man auch den Saft der leichten Reben,
der uns die Seele metaphysisch nährt,
der durch den Geist uns dionysisch fährt.
Der Denker sich vom Wein befeuchten lasse,
damit er recht des Geistes Leuchten fasse;
dennmancher erst in der Befeuchtung Land
den Geist der tieferen Erleuchtung fand.
Es hat das wahre Wort vom Sein gewagt,
wer es, erfüllt von dunklem Wein, gesagt.
Wer ist's, der ihn ob solcher Ethik tadelt,
wo ihn zutiefst die Antithetik adelt?
Drum weh dem Geiste, der das harmlos Schöne
mit skeptischem Gemüt als charmelos Höhne!
Greift man dabei auch mal die Töne schief:
nur durch den Wahnsinn wird das Schöne tief.
Was macht |