Wenn ich wüßte, dass und wer ich bin, wären die wesentlichen Probleme gelöst. So jedoch muß ich zunächst die Realität außer mir als wirklich unterstellen, um nicht anzunehmen in einem Traum zu leben, den nur ich selbst träume. Dann wären der Leser und die Leserin dieses Textes nur weitere Personen meines Traumes, die ich mir ausdenken würde. Ich schriebe diese Vorstellung sozusagen mir selbst.
Meine begründete Annahme ist, dass dem nicht so ist. Dafür gibt es gute Indizien, aber keine Beweise. Vielleicht sollte ich einige dieser Indizien nennen, die außer bloße Indizien für die Welt "da draußen" sind, mich nebenbei auch noch beschreiben. Diese Beschreibung fing schon vor einigen Zeilen, genauer mit der Überschrift dieses Textes an: Ich bin (so denke ich jedenfalls). Ich bin hypothetischer Realist.
Das war ich schon immer, auch wenn ich es nicht wußte. Wer mich allerdings zu Schulzeiten kennengelernt hat, der würde mich eher als Pragmatiker beschreiben. Ein Pragmatiker, der sich nicht scheut, all die Dinge zu tun, die "opportun" sind: ein guter Schüler zu sein, zu lügen, frühest möglich Auto zu fahren. Mit Frauen hatte ich zwar keine erheblichen Schwierigkeiten, aber auch kein besonderes Glück oder Geschick. Autos und Computer waren einfach wichtiger. Ich wußte auch nicht, was ich "später mal" machen sollte, so das ich in technokratischer Begeisterung, nach 15-monatigem Wehrdienst als Fotograf bei einer Einheit, die sich Psychologische Verteidigung nennt, ein Studium der Elektrotechnik begann. - Beendet habe ich es auch, aber leider nicht hinreichend erfolgreich, als dass ich mich Ingenieur nennen dürfte.
Immerhin überlebten einige Freundschaften aus der Schulzeit. Nicht die, die ich damals für die wichtigsten hielt, aber niemand mag mir vorwerfen, dass sich ein Wandel vollzogen hat und ohnehin ständig vollzieht. Die Feststellung, dass das Werden die Welt beherrscht und nicht das Sein, ist nicht gerade neu.
Außer meiner freiberuflichen Lehrtätigkeit galt schon kurze Zeit nach dem Wehrdienst mein Interesse dem Denken, das hört sich in diesem Satz zwar großartig oder sogar selbstherrlich an, aber im allgemeinen kommt man in unserer Gesellschaft in arge Rechtfertigungsnot, wenn man sich dazu bekennt. Zum einen muß das Thema doch viel zu banal sein, da schließlich jede und jeder "irgendwie" denkt, zum anderen soll das Geldverdienen damit schwierig sein.
Jedenfalls studierte und studiere ich immer noch die Philosophie, in deren gesellschaftlichem Horizont ich mich aus meiner Sicht notwendig mit der Politik beschäftigen mußte. Wirklich politisch war ich nämlich vorher nicht, jedenfalls nicht mit besonderem Ziel, aber vor allem nicht mit vernünftiger Begründung. Das jedenfalls hoffe und denke ich heute zu sein.
"Hier steh ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor." Auch wenn es mir gelegentlich so vorkommt, mich in dieser Lage zu befinden, ist das doch nur ein Schein. Tatsächlich werden wir von Tag zu Tag klüger und erfahrener. Klugheit und Erfahrung aber nutzen zu können ist das Problem, das ich gerne würde lösen können. Leider gelingt dies nur manchmal; einzig beruhigend ist, dass es nicht nur mir so geht.
Was ist mein Ziel? - "Bundeskanzler werden!" antworte ich oft scherzhaft, obwohl ich es vielleicht manchmal wirklich ernst meine. Bin ich denn "grün" genug, wäre eine Frage, die man mir mal stellen könnte. Ich weiß zwar nicht ganz genau, was "grün" in diesem Zusammenhang bedeutet, aber ich antworte davon unabhängig einmal so: Ich halte die Mehrzahl der Grünen-Ziele für gut und erstrebenswert, aber ich halte auch viele dieser Ziele für nicht ausreichend oder gar falsch begründet. Um aber sinnvoll argumentieren zu können, halte ich diese Begründungen für notwendig. Was ist also mein politisches Ziel? - Vielleicht, gute politische Absichten auch gut begründen und deshalb durchsetzen zu können.
Welche konkreten Ziele sind das? - Zur Zeit bin ich offensichtlich besonders verkehrspolitisch tätig, so dass ich dazu hier nichts weiter schreiben möchte. Wesentlicher scheint mir jedoch, ein gesellschaftspolitsches Konzept zu haben, an dem in unserem Staat ein akuter Mangel zu herrschen scheint. Natürlich habe auch ich dieses Konzept nicht in Gänze, aber Teilprobleme könnten wir leicht lösen, wenn wir endlich den Abschied von überkommenen Menschenbildern nähmen und unsere Entscheidungen auf solche neue Grundlagen stellen, die die Menschen, uns alle also, besser beschreiben.
Selbsterkenntnis ist ja bekanntlich der erste Schritt zur (Selbst-)Besserung. Diese Erkenntnis wird aber mit einiger Sicherheit eines sein: kränkend! Gerade deshalb ist sie so schwierig. Erkenne Dich selbst!" soll am Tempel von Delphi gestanden haben. Ein wenig davon habe ich hier versucht, vielleicht aber ist die Erkenntnis des Selbst am Du des anderen Menschen genauso wichtig. Wenn die Leserin und der Leser mich und diesen Text dazu benutzen, erfüllen sie mir einen großen Wunsch.
Januar 1997, Stefan Brix
Stefan Brix ist Mitglied des Stadtrates Wolfenbüttel und gehört dem "Ausschuß für Bau, Planung, Denkmalpflege und Verkehr" sowie dem "Ausschuß für das Schulwesen" an. Er ist folglich Ansprechpartner für Fragen, die den Themenbereichen der Ausschüsse im weitesten Sinne zugeordnet werden können. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit Fragen der Begründung des Umweltschutzes durch Argumente der Wirtschaftlichkeit und mit zukunftsfähiger Gesellschaftspolitik.
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