www.brix.de - Hauptseite,  Elektrotechnik Stand: 2010-11-06

Drehstrom-Fehler
Ausfall von Außenleitern und/oder Strängen (Verbraucherwiderständen) an einem Drehstromverbraucher

Im Drehstromnetz wird immer wieder die Überlegung relevant, was denn eigentlich passiert, wenn ein Außenleiter (L1, L2, L3) ausfällt. Dazu gibt es in Tabellenbücher auf den eher vorderen Seiten (meist zwischen 40 und 50) eine Tabelle, die all diese Fälle aufzeigt.

Wenn man allerdings entweder in den Foren des Internets liest oder aber in praktischen Leben mit den beteiligten Personen diskutiert, scheinen immer wieder Fragen ungeklärt. Daher diese kleine Übersicht mit jeweils einer erklärenden Beschreibung des Falles.

Voraussetzungen: Die Leiterspannung sei mit 400 V und damit die Strangspannung auf 230 V festgelegt. Natürlich sind alle Überlegungen auf beliebige andere Spannungen (im Verhältnis 1/SQR(3)) übertragbar. Die Widerstände müssen gleich groß sein, man nennt dies symmetrische Belastung. Um die Rechnungen einfach zu halten, wird von einen Einzelwiderstand von 100 Ohm ausgegangen.

Außerdem ist hier als Leistung die Wirkleistung P genannt, was für eine rein ohm'sche Belastung auch zutreffend ist. In Tabellenbüchern steht im Allgemeinen (eben aus dem Grund, dass es eine allgemeinere, also häufiger zutreffende Angabe ist) die Scheinleistung S. Es treffen aber alle Überlegungen auf beide Leistungen zu.

Sternschaltung mit und ohne Neutralleiter

Diese Sternschaltung mit Neutralleiter kommt im normalen Haushalt sehr häufig vor. Praktisch alle an Drehstrom angeschlossenen Elektroherde arbeiten so. Dagegen wird an Drehstromelektromotoren der Neutralleiter praktisch nie angeschlossen, so dass man in Sachen Motoren bei "ohne Neutralleiter" d.h. "augefallenen Neutralleiter" nachsehen muss.

Ob ein Widerstand des Verbrauchers oder eine Zuleitung ausfällt ist bei der Sternschaltung egal, der der Strom des Außenleiters und des Widerstandes derselbe ist (Leiterstrom = Strangstrom).

1. Ein Außenleiter/Verbraucherwiderstand defekt

Von den drei Strömen fällt einer weg, die anderen ändern sich nicht, da es sich sozusagen um eine Parallelschaltung dreier Widerstände handelt. In allen parallelen Strängen ist die Spannung 230 V und der Strom 230 V / 100 Ohm = 2,3 A. Vorher war die Leistung 3 x 230 V x 2,3 A = 1587 W, nachher ist sie 2 x 230 V x 2,3 A = 1058 W, also noch 2/3 der Originalleistung.

Die ehemals symmetrische Sternschaltung wird jetzt asymmetrisch, aber der Neutralleiter sorgt dafür, dass sich die Verhältnisse nicht ändern. Im Neutralleiter fließt jetzt ein Strom von 2,3 A (es sind wirklich nur 2,3 A, nicht etwa 4,6 A, da sich die Ströme aufgrund der Phasenverschiebung im Sternpunkt (Knoten) geometrisch addieren).

Pstör = 2/3 x Porig

2. Zwei Außenleiter/Verbraucherwiderstände defekt

Es wiederholt sich Überlegung, aber diesmal fallen zwei der drei Widerstände einer Parallelschaltung weg. Vorher war die Leistung 3 x 230 V x 2,3 A, nachher ist sie 1 x 230 V x 2,3 A also noch 1/3 der Originalleistung.

Die ehemals symmetrische Sternschaltung ist jetzt sehr asymmetrisch, da nur noch ein Widerstand übrig ist. Dennoch sorgt der Neutralleiter dafür, dass sich die Verhältnisse nicht ändern. Im Neutralleiter fließt jetzt ein Strom von 2,3 A.

Pstör = 1/3 x Porig

3. Neutralleiter defekt und ein Außenleiter/Verbraucherwiderstand defekt

Ohne Neutralleiter wird die Überlegung etwas komplizierter und gilt auch nur noch für eine symmetrische Belastung (alle drei Widerstände gleich groß). Denn nur in diesem Fall hätte man den Neutralleiter ja ohnehin weglassen können, weil sich die 230 V im Strang durch die Phasenverschiebung der drei Außenleiter einstellt und im Neutralleiter sowieso kein Strom floss.

Die Schaltung hat sich nun zu einer Reihenschaltung von zwei Widerständen geändert. Das ist ganz einfach. Allerdings liegen diese beiden Widerstände an einer Spannung von 400 V. Und die teilt sich auf die beiden Widerstände zu je 200 V auf. Dabei spielt die Phasenverschiebung der beiden verbliebenen Außenleiter gar keine Rolle, denn die ist in den 400 V bereits berücksichtigt.

Was passiert also? Es liegen 100 + 100 Ohm an 400 V, der Strom ist 400 V / 200 Ohm = 2 A. Macht eine Leistung von 400 V x 2 A = 800 W.

Das ist die Hälfte der Originalleistung. Nun wird man natürlich anmerken, dass 800 W nicht so richtig die Hälfte von 1587 W ist. Das ist leider richtig und liegt daran, dass das Wertepaar 230/400 V für die Spannung nicht ganz genau zusammen passt, denn es müsste heißen 230/398,37 V oder 230,94/400 V, so dass zwischen den beiden Spannungsangaben der Faktor SQR(3) liegt.

Pstör = 1/2 x Porig

4. Neutralleiter defekt und zwei Außenleiter/Verbraucherwiderstände defekt

Dieser Fall ist ganz einfach, da es keinen geschlossenen Stromkreis gibt. Der Strom ist Null, ebenso ist die Leistung Null.

Pstör = 0

Dreieckschaltung

Die Dreieckschaltung hat keinen Neutralleiter, die Verbraucherwiderstände liegen direkt jeweils zwischen zwei Außenleitern und damit an einer Spannung von 400 V. Das heißt, die Strangspannung ist gleich der Leiterspannung. Damit sind auch die Strangströme leicht zu berechnen: 400 V / 100 Ohm = 4 A. Nur diese werden wir für unsere Überlegungen heranziehen, denn die Leiterströme verhalten sich aufgrund der Phasenverschiebung zwischen den Außenleitern zu den Strangströmen wie 1 / SQR(3). Die Leiterströme zu berücksichtigen, würde die Überlegung unnötig verkomplizieren.

1. Ein Verbraucherwiderstand defekt

Jeder der Verbraucherwiderstände ist von den anderen unabhängig. Wenn einer ausfällt sind die anderen davon nicht betroffen. Die Leistung vorher: 3 x 400 V x 4 A = 4800 W, nach dem Ausfall des Widerstandes: 2 x 400 V x 4 A = 3600 W, also noch 2/3 der Originalleistung.

Pstör = 2/3 x Porig

2. Zwei Verbraucherwiderstände defekt

Wie im Fall 1., nur eben mit doppelter Auswirkung. Ob der Außenleiter an den beiden defekten Verbraucherwiderständen zusätzlich auch noch defekt ist, spielt keine weitere Rolle. Am verbleibenden Widerstand fließt der gleiche Strom wie vorher. Die Leistung ist also 400 V x 4 A = 1600 W, also noch 1/3 der Originalleistung.

Pstör = 1/3 x Porig

3. Ein Außenleiter defekt

Dieser Fall scheint zwar komplizierter, ist aber relativ leicht aufzulösen in eine Parallelschaltung des einen Widerstandes zwischen den beiden verbliebenen Außenleiter und einer Reihenschaltung der beiden Verbraucherwiderstände an deren "Ecke" der Außenleiter fehlt. Diese beiden Zweige liegen an 400 V. Also ist die Leistung des einen Widerstandes ganz normal 1600 W, der Strom durch beiden anderen ist 400 V / (100 + 100 Ohm) = 2 A, die Leistung also 400 V x 2 A = 800 W. Zusammen beträgt die Leistung 1600 W + 800 W = 2400 W. Das ist genau 1/2 der Originalleistung.

Pstör = 1/2 x Porig

4. Zwei Außenleiter defekt

Der einfachste Fall, da es keinen geschlossenen Stromkreis gibt. Der Strom ist Null, ebenso ist die Leistung Null.

Pstör = 0

5. Ein Außenleiter und ein daran angeschlossener Verbraucherwiderstand defekt

Dieser Fall ist vergleichbar mit dem Fall 2, denn es gibt nur einen verbliebenen von Strom durchflossenen Verbraucherwiderstand. Durch ihn fließt der gleiche Strom wie vorher. Die Leistung ist also 400 V x 4 A = 1600 W, also noch 1/3 der Originalleistung.

Pstör = 1/3 x Porig

6. Ein Außenleiter und ein nicht daran angeschlossener Verbraucherwiderstand defekt

Auch dieser letzte Fall der verschiedenen Möglichkeiten von Ausfällen ist wesentlich einfacher als es zunächst aussieht. Zwischen den Außenleitern liegt eine Spannung von 400 V und dazwischen liegen zwei Widerstände in Reihe. Der Strom durch die beiden ist 400 V / (100 + 100 Ohm) = 2 A, die Leistung also 400 V x 2 A = 800 W. Das ist diesmal nur noch 1/6 der Originalleistung.

Pstör = 1/6 x Porig

 


Stefan Brix
sx@brix.de

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